A Dungeon Game – Zweiter Eindruck zum Fantasy-OSR-Rollenspiel von Chris Bissette

Dies ist ein Folgebeitrag zu A Dungeon Game – Erster Eindruck zum Fantasy-OSR-Rollenspiel von Chris Bissette. Ich arbeite das Regelwerk durch und sammle in mehreren Artikeln meine selektiven Eindrücke.

Figurenentwicklung

Auch in A Dungeon Game gibt es Erfahrungspunkte und Stufenaufstiege. Erstere bekommt man für erbeutete/erhaltene Silberstücke und Monstren, denen man ausgewichen ist, die man umgangen oder besiegt hat – 100 XP pro Trefferwürfel der Kreatur.

Die benötigten Erfahrungspunkte für neue Stufen sind in einer Tabelle festgelegt, die aufgestiegene Figur bekommt jeweils Boni auf sowie weitere Health Dice (Gesundheitswürfel) und Boni auf sowie weitere Recovery Dice (Erholungswürfel). Außerdem erhöht sich die Anzahl der Zauberrituale, die pro Tag gewirkt werden können, ohne dass die Figur sich verausgaben (und damit Schaden nehmen) muss.

Dinge tun

Attributswürfe

Da es in A Dungeon Game keine Fertigkeiten gibt, wird auf passende Attribute gewürfelt. Niedriger würfeln als das Attribut ist gut, den Wert genau zu treffen, ist sehr gut. Einen Vorteils-/Nachteilsmechanismus wie in 5E gibt es auch. Um einen schlechten Würfelwurf noch in einen Erfolg umzuwandeln, kann die betreffende Figur sich verausgaben, dazu etwas später mehr.

Rettungswürfe

Rettungswürfe werden beispielsweise gegen Fallen, Naturgefahren und Monster gewürfelt, es gilt derselbe Würfelmechanismus wie bei den Attributswürfen. Ein Unterschied: Bei Rettungswürfen kann sich eine Figur nicht verausgaben, ein schlechter Wurf bleibt.

Sich verausgaben – wie Gummipunkte, nur krasser

Nachdem der Begriff schon einige Male vorkam: Verausgabung ist hilfreich, um vermasselte Würfe noch zu retten, bringt allerdings einen krassen Preis mit sich: Das passende Attribut wird permanent um eine gewisse Anzahl Punkte reduziert. (Es gibt die Möglichkeit, die Punkte während der Zeit zwischen Abenteuern durch Bettruhe wiederzuerlangen, aber niemand zwingt einen dazu.)

Die Anzahl der abzuziehenden Punkte errechnet sich über die Differenz zwischen dem Würfelergebnis und des eigenen Attributs bzw. der Rüstungsklasse des gegenerischen Wesens. Fällt ein Attribut dadurch auf 0 oder niedriger, ist die eigene Figur übrigens unwiederbringlich tot.

Beispiel: Eine Figur hat beim Attribut Brawns (Muskeln) einen Wert von 12 und will die Decke eines kleinen Hauses mit dem Körper abstützen, damit andere Abenteurer:innen entkommen können. Die Spielerin der Figur würfelt 1W20 und versucht, gleich oder niedriger 12 zu würfeln: eine 15 – nicht geschafft, da überwürfelt. Um den anderen aus der Gruppe dennoch die Flucht zu ermöglichen, verausgabt sich die Figur, um es doch noch zu schaffen: Die Differenz zwischen 15 und 12 ist 3, die Anzahl wird permanent vom Brawn-Attribut abgezogen, so dass es nur noch einen Wert von 9 hat. Autsch, ab jetzt wird es noch schwieriger, unter das Attribut zu würfeln. Dafür kommen alle mit dem Leben davon, weil die Decke erst einstürzt, nachdem alle aus dem Haus raus sind.

Ich glaube, das habe ich so in einem Rollenspiel noch nicht gesehen, das ist potenziell ziemlich verkrüppelnd, zumindest zeitweise. Und es ist ziemlich spannend, finde ich. Das sollte dafür sorgen, dass Spielende sich generell gut überlegen, ob sie sich in einen Kampf stürzen – denn “Babyscheiß-Gummipunkte“ wie in anderen Spielen gibt es hier eben nicht. Davon abgesehen, dass gegnerische Wesen natürlich auch Schaden austeilen können und werden. in A Dungeon Game hat das „sich in eine Sache werfen“ richtig Gewicht und kostet einen hohen Preis.

Kämpfen

Im Kampf wird weiterhin mit 1W20 auf Attribute gewürfelt, im Normalfall auf Brawn (Muskeln) im Nahkampf, Agility (Geschicklichkeit) im Fernkampf sowie Cunning (Schläue), wenn gezaubert oder getrickst wird. Es kann daraufhin zu folgenden Ergebnissen kommen:

  • Ist das Ergebnis gleich oder niedriger als das entsprechende eigene Attribut und höher als die Rüstungsklasse des gegnerischen Wesens > Treffer, Schaden auswürfeln
  • Ist das Ergebnis höher als das eigene Attribut oder gleich/niedriger als die Rüstungsklasse des gegnerischen Wesens > nicht getroffen
  • Ist das Ergebnis genau der Wert des eigenen Attributs, wird das gegnerische Wesen betäubt und die eigene Figur darf sofort ein zweites Mal angreifen
  • Ist das Ergebnis genau der Wert der gegnerischen Rüstungsklasse, wird diese für den Rest des Kampfes um 1 reduziert. Bei einer Rüstungsklasse von 0 wird Rüstung unbrauchbar.

Für mich als Minimalisten und als jemand, der es durch Shadowdark gewohnt ist, ein Mal 1W20 +Attributsmodifikator gegen Schwierigkeit/Rüstungsklasse zu würfeln, sind die vier Bedingungen erstmal etwas schwieriger. Wenn man sich die Bedingungen in zwei Gruppen aufteilt, geht es besser, finde ich: treffen oder nicht treffen, Sonderfälle.

Mit zwei Nahkampfwaffen gleichzeitig kämpfen

Das geht unter folgenden Bedingungen: Mindestens eine der zwei Waffen muss eine kleine Waffe sein; das Attribut zur Verwendung der kleinen Waffe ist abweichend Agility (Geschicklichkeit) statt Brawn (Muskeln); die Figur muss sich für 1 Punkt Cunning (Schläue) verausgaben, um überhaupt in einer Kampfrunde eine zweite Attacke führend zu können.

Narben im Kampf

Narben hatte ich im ersten Artikel bei der Figurenerstellung schon einmal erwähnt, denn jede Figur beginnt mit einer solchen Narbe. Sie sind die körperliche Erinnerung an frühere Erfahrungen mit Gewalt. Die Anzahl der Narben kann im Kampf als Modifikator für Angriffe, Schadenswürfe, Rettungswürfe und so weiter verwendet werden. Eine Besonderheit: Der Modifikator kann nicht aufgeteilt werden, es muss immer die gesamt Anzahl verwendet werden, zum Beispiel +3 bei 3 Narben.

Rasten und erholen

Ein Mal pro Tag kann durch zehnminütiges Rasten, Nahrungsaufnahme und sich um Wunden kümmern Gesundheit wieder reingeholt werden. Dazu wird der Recovery Die (Erholungswürfel) gewürfelt, der auf Stufe 1 für alle Figuren 1W3 ist. Eine Rast über Nacht an einem sicheren Ort bringt den Erholungswürfel plus 1W6 Gesundheit zurück. Für beide Arten der Rast/Heilung gilt: der maximale Gesundheitswert kann dadurch nicht überschritten werden. Warum ich das so betone?

Wer sich verausgabt und dadurch Punkte in einem oder mehreren Attributen eingebüßt hat, kann in einem Dorf oder einer Stadt eine Woche Bettruhe halten und die Punkte zurückerlangen. Auch hier wird wieder der Erholungswürfel hinzugezogen, aber diesmal gilt: Wird ein Attribut durch das Würfelergebnis über den vorigen Maximalwert gehoben, dann ist das in Ordnung, der neue Wert wird zum neuen Maximum. *Ich bin mir nicht sicher, was der Hintergrund dieser Regel ist und habe deshalb bei Chris Bissette mal deswegen angefragt; eine Antwort steht noch aus.** Laut der Antwort Bissettes ist dies als Teil des Erfahrungssystems gedacht. Wer sich verausgabt, kann sich dadurch (bis zu einem Maximum von 18) verbessern. Grundsätzlich hab ich gegen diese Regel nichts, aber so richtig stimmig erklärt finde ich sie auch nicht.

Sterben

Fällt eines der Attribute einer Figur jemals auf 0, ist sie tot. (Wir erinnern uns, dass dies sogar während der Figurenerstellung geschehen kann, wenn man zu sehr gezockt hat. ) Fällt der Gesundheitswert einer Figur auf 0, werden 2W6 gewürfelt und mit der Anzahl der Narben der Figur verglichen: Ist das Würfelergebnis kleiner oder gleich der Anzahl der Narben, stirbt die Figur an ihren akkumulierten Verletzungen. Ist das Würfelergebnis höher als die Anzahl der Narben: Erholungswürfel rollen und so viele Gesundheitspunkte wiederherstellen – und eine weitere Narbe kassieren.

Bisheriges Fazit

Sich verausgaben ist richtig, richtig krass, finde ich – und dient dem Aufleveln, wie ich nach einer Rückfrage bei Bissette erfahren habe. Und wer kurz vor dem Tod steht, greift quasi über die Narben auf den eigenen Lebenswillen zurück – und kassiert gleich wieder eine Narbe, wenn die Figur dem Tod von der Schippe gehüpft ist. Durch die Erhöhung der Narben um 1 wird es beim nächsten Mal (vielleicht schon im selben Kampf) noch schwieriger, nicht den Löffel abzugeben. Das ist ziemlich grimmig-düster, finde ich, ABER ICH LIEBE ES!

Ausblick

Im nächsten Artikel geht es um Exploration, Zufallsbegegnungen und Rituale.


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Veröffentlicht von

Thorsten

Thorsten

Rollenspieler aus Kiel